Ernst aber nicht hoffnungslos

Die aktuelle Lage der Borussia Ernst aber nicht hoffnungslos

Außerordentliche Mitgliederversammlung / Der neue Vorstand präsentiert die aktuellen Zahlen / Finanzielle Situation lässt keinen Spielraum / Mannschaft steht nach 2:0 gegen Auersmacher im Turnierfinale in Quierschied.
Vorstellung des neuen Vorstandes sowie Information über die aktuelle Lage der Borussia – das waren die Schwerpunkte der gestrigen außerordentlichen Mitgliederversammlung im VIP-Raum des Ellenfeld-Stadions. Etwa 80 Borussen-Freunde waren der Einladung gefolgt. Die Kernbotschaft, die sie zu hören bekamen, lautete: Die Situation ist ernst, aber nicht hoffnungslos! Vorstandsmitglied Gunther Persch erhielt viel Beifall für die Offenheit, mit der er das Zahlenwerk unbeschönigt präsentierte. Bei aller Kritik überwog am Ende die Einschätzung, das nur der Blick nach vorne und das entschlossene Zupacken möglichst vieler Vereinsmitglieder Borussia wieder auf einen guten Weg zu bringen. „Persönliche Animositäten müssen beiseitegelegt werden. Es geht nicht um Personen, sondern um den Gesamtverein. Entweder wir schaffen es gemeinsam oder der Traditionsverein Borussia Neunkirchen ist Geschichte“, lautete der emotionale Appell von Gunther Persch an die Versammlung.
Die hatte zunächst mit einer Vorstellungsrunde des Führungsteams begonnen. Neuer Präsident der Borussia ist Alexander Kunz. Der stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Kusel ist Borussia seit 30 Jahren verbunden und betreibt die Website „Schwarze Teufel“. „Die Amtsübernahme im Ellenfeld ist für mich eine Ehre, ich habe aber auch Respekt vor der Aufgabe. Aber wenn man die Gelegenheit bekommt, Verantwortung zu übernehmen, sollte man dies tun und es nicht nur bei Kritik belassen. Ich habe ein gutes Team um mich herum, das ist unsere Stärke im neuen Vorstand“, sagte der 42jährige Familienvater; seine Frau Andrea, die schon gleich tatkräftig bei der Bewirtung der Gäste mithalf, und die beiden Töchter Freya und Ida hatten den neuen Borussen-Chef an diesem Abend begleitet. Die Funktion des zweiten Vorsitzenden und Finanzvorstandes übt Nils Meisberger aus, der zuletzt Jugendleiter war und schon seit eineinhalb Jahren Vorstandsmitglied. ist „In dieser Zeit habe ich Borussia kennengelernt und weiß, wie der Verein tickt“, so der 21jährige, der Rechtswisssenschaften in Saarbrücken studiert. Von Nils Meisberger das Amt des Jugendleiters übernommen hat Martin Gonschorek – der 33jährige kaufmännische Leiter eines mittelständischen Metallbau-Unternehmens in Saarbrücken gehört in dieser Funktion ebenfalls zum Vorstandsteam wie Gunther Persch (48), der seit August 2017 als sportlicher Leiter amtiert. Zur „Finanz-Mannschaft“ gehört des Weiteren Versicherungskaufmann Uli Horbach, im Jugendbereich wirkt als Koordinator weiterhin Christoph Serr. Geschäftsstellenleiter ist nach wie vor Dieter Baum.
In den letzten beiden Wochen seit Amtsübernahme Anfang Juli hat sich das neue Führungsgremium intensiv mit der aktuellen Situation beschäftigt, dabei viele Unterlagen durchforstet und diverse Gespräche geführt. Die sich daraus ergebende Bilanz präsentierte Gunther Persch den Mitgliedern in schonungsloser Offenheit. Demnach ist Borussia, so Persch, weder gerettet noch schuldenfrei. „Die langfristigen Verbindlichkeiten durch diverse Darlehen (Dr. Theiss, Park-Bräu, Privatdarlehen, Ferraro) sowie durch Beiträge an die VBG (für den Zeitraum von 2014 bis 2016) belaufen sich auf 527.600 Euro. Das Darlehen der Park-Brauerei verrechnet sich dabei mit dem Getränkeverkauf im Stadion, das Ferraro-Darlehen ist kostenneutral, da es über Sponsoring gedeckt sei. Kurzfristig besteht durch Nachzahlung der VBG-Beträge für die Jahre 2016, 2017 und 2018, durch Zahlungen an das Finanzamt und die KEW sowie die Löhne für Juni 2018 und diverse Kleinrechnungen ein Finanzbedarf von 55.500 Euro. Das macht in der Summe fast 600.000 Euro Verbindlichkeiten“, so Gunther Persch, der klarstellte, „dass Borussia jeden Monat – unabhängig vom Tagesgeschäft – allein 7.450 Euro für die Bedienung langfristiger Belastungen (4.750 Euro) und Energiekosten (2.700 Euro) aufbringen muss.“ Was die nun beginnende Saison 2018/19 betreffe, sei nach jetzigem Stand der Dinge mit Einnahmen von 210.000 Euro zu rechnen. Auf der Kostenseite stehe allerdings ein Betrag von 271.000 Euro, der sich aus Spielbetrieb (174.000 Euro), Darlehensrückzahlungen (60.000 Euro), Energiekosten (270.000 Euro) sowie sonstigen Kosten (15.000 Euro) zusammensetze. Dies bedeute im Klartext für die kommende Spielzeit einen Rückstand von 60.000 Euro!
Gunther Persch hob deshalb die Notwendigkeit hervor, den Spieleretat um rund 50.000 Euro zu reduzieren: „Mein ganz herzlicher Dank geht hierbei an Trainer, Mannschaft und Funktionsteam, die dem Verein trotzdem die Treue gehalten haben. Auch unsere Neuzugänge haben auf Geld verzichtet, um bei Borussia spielen zu können. Wir haben keine Söldnertruppe“, stellte Gunther Persch klar, der alle Spieler in Gesprächen über die Situation aufgeklärt hatte und auf großes Verständnis stieß. „Viele haben sich bereit erklärt, gemeinsam mit uns die schwierige Situation zu meistern. Dafür meine Hochachtung – das hat es bei Borussia lange nicht mehr gegeben“, so Gunther Persch, dessen Worte großen Beifall der anwesenden Mitglieder hervorriefen. Der Kader sei aus den gegebenen Gründen ganz eng. Weitere Spielerverpflichtungen seien nur möglich, wenn sie in das Gehaltsgefüge passten. „Ich werde keinen Euro mehr ausgeben, als es meine Vorgaben zulassen“, machte Gunther Persch aus seiner konsequenten Haltung keinen Hehl, gab aber zu, „dass verletzungsmäßig nichts passieren darf.“ Optimistisch stimme ihn der Charakter der Mannschaft. „Wir wollen natürlich den größtmöglichen Erfolg, aber wir sollten alle unsere Erwartungen nicht zu hoch ansetzen“, so die Botschaft an den Borussen-Anhang. Der Sportvorstand gestand auch eigene Fehler ein. So sei die Verpflichtung der beiden belgischen Spieler Mouhamad Diallo und Mehdi Lomma im August letzten Jahres eine Fehleinschätzung gewesen, die er auf seine Kappe nehme.
Mit Mut, Transparenz und Ehrlichkeit will der neue Vorstand nun die Situation in den Griff bekommen. Alexander Kunz formulierte die wichtigsten Ziele: „Es gilt zunächst, einen Finanzplan auf die Beine zu stellen, der das Geschäftsjahr abdeckt. Dabei müssen wir auch den Umgang mit unseren Sponsoren deutlich verbessern und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen – das ist weitaus schwieriger als neue Sponsoren zu finden! Darüber hinaus wollen wir die Vereinsarbeit wieder in den Mittelpunkt rücken. Jeder Borusse soll das Gefühl haben, dabei zu sein. Jeder kann, jeder soll sich einbringen, und sei es auch in einem noch so kleinen Bereich. Zudem werden wir die Jugend- und Nachwuchsarbeit wieder intensivieren, um auch auf diesem Wege die Mitgliederzahl zu erhöhen.“ Geschäftsstellenleiter Dieter Baum lobte den Vorstand für die offenen Worte und Zahlen und appellierte nachdrücklich an die anwesenden Mitglieder, nach vorne zu schauen. Dem schloss sich, stellvertretend für die Mannschaft, Torhüter Philippe Persch an: „Schuldzuweisungen Richtung Vergangenheit helfen Borussia nicht weiter. Hoch lebe Eisen – die Identität der Borussia ist die Arbeitermentalität. So wie die Mannschaft im sportlichen Bereich für den Erfolg hart arbeitet, muss jeder Borusse mitarbeiten, den Verein aus dieser Misere herauszuführen. Das ist ein wichtiges Anliegen der Mannschaft, die die problematische Situation ja auch mitbekommt. Das ist nie ganz aus den Köpfen herauszukriegen!“ Eine Art, Borussia zu unterstützen besteht im Kauf einer Saisonkarte für die neue Spielzeit – der Verkauf der Tickets beginnt ab sofort auf der Geschäftsstelle (Donnerstags von 15.00 bis 17.00 Uhr).
Zwei Anträge von Tobias Fuchs rundeten die Versammlung ab. Zum einen soll eine Satzungskommission eingesetzt werden, um die Vereinssatzung zu überarbeiten und dabei auch strukturelle Änderungen zu überlegen. Die Berufung dieser Kommission soll nach dem Willen der Mitglieder anlässlich der in vier Wochen anberaumten ordentlichen Mitgliederversammlung über die Bühne gehen. Der zweite Antrag, dem vor kurzem verstorbenen Borussen-Torwart Willi Ertz in Anbetracht seiner Verdienste um den Verein posthum die Ehrenspielführer-Würde zu verleihen, wurde unter großem Applaus und einstimmig angenommen. „Das ist in unser aller Sinne. Willi Ertz hat all das verkörpert, was Borussia auch momentan gut gebrauchen kann: Bodenständigkeit, Ehrlichkeit, Treue. Wir müssen alle gemeinsam den Verein wieder dahinbringen, wo Willi Ertz ihn mit seiner Mannschaft hingebracht hat.“ Ein besseres Schlusswort konnte es nicht geben!
Borussias Mannschaft konnte auf dem grünen Rasen derweil die hohe Meinung des sportlichen Leiters bestätigen. Beim Turnier in Quierschied besiegten die Schützlinge von Björn Klos in den Playoffs den Ligakonkurrenten SV Auersmacher mit 2:0 und zogen ins Finale ein. Borussias Tore erzielten Daniel Schlicker per Distanzschuss (10.) und Kevin Saks mit verwandeltem Foulelfmeter (74.), Daniel Ruschmann vergab noch einen weiteren Strafstoß. „In ein flottes Spiel sind wir gut hineingekommen. Nach der frühen Führung waren wir am Drücker, aber glücklos. Als der Gegner dann stärker wurde, hat unsere Defensive gut gestanden. Nach dem 2:0 hat Auersmacher dann mächtig Druck gemacht, aber wir konnten die Null halten“, zog Trainer Björn Klos eine insgesamt positive Bilanz. Endspielgegner am Samstag, 21. Juli, wird der amtierende Saarland-Meister TuS Herrensohr sein, der sich gegen Gastgeber Spvgg Quierschied ebenfalls mit 2:0 durchsetzte. Anstoß in Quierschied ist am Samstag um 18.15 Uhr.

text/foto.jo frisch
red.zbs

Anmerkung: Jörg Eisenhuth, zum Beisitzer berufen, konnte leider krankheitsbedingt nicht anwesend sein.