Corona-Krise: Flüchtlinge nicht vergessen

Absurdes Saarland: 1300 Menschen auf engstem Raum.  Corona-Krise: Flüchtlinge nicht vergessen

Unterbringung im Lager Lebach nicht mehr zu verantworten – Solidarität und Schutz für alle „Während die saarländische Landesregierung im Zeichen der Corona-Pandemie Veranstaltungen oder Ansammlungen mit mehr als fünf Personen untersagt, müssen rund 1300 Flüchtlinge im Lager Lebach auf engstem Raum zusammen leben“, erklärte Maria Dussing-Schuberth vom Vorstand des Saarländischen Flüchtlingsrates e.V.. „Die Lebensbedingungen im Ankerzentrum Lebach erhöhen das Risiko, sich mit dem neuen Virus zu infizieren. Die Menschen, die dort leben müssen sowie alle, die dort arbeiten, sind besonders gefährdet.“ Aktuelle Besuche hätten deutlich gemacht, dass es bei vielen Bewohnern große Ängste gebe, insbesondere bei Kindern.

Im Flüchtlingslager Lebach kann zum Beispiel der aus hygienischen Gründen eingeforderte Sicherheitsabstand gar nicht eingehalten werden:
– Weil es keine Privatsphäre gibt.
– Weil bis zu vier Menschen sich eine kleine Wohneinheit teilen und in Gemeinschaftsküchen kochen müssen.
– Weil man nur in einem zentralen Bad duschen kann.
– Weil es zum Wäsche waschen nur wenige Waschmaschinen gibt.
– Weil man zweimal pro Woche bei der Lebensmittelausgabe anstehen muss.

Hinzu kommt, dass die Ausländerbehörde bereits seit Montag geschlossen ist und die Wohlfahrtsverbände ihre Arbeit immer weiter zurückfahren. Es gibt für die Flüchtlinge wenig Informationen über Corona und bisher nur einen Aushang mit Hygienetipps. Seit 18. März macht die Verwaltung von ihrem Hausrecht Gebrauch und untersagt bis auf Weiteres alle Besuche in den Wohnräumen.

„Innenminister Bouillon darf jetzt nicht aus ideologischen Gründen am Ankerzentrum festhalten. Das Saarland zahlt für 231 leerstehende Unterkünfte in den Kommunen Miete. Dort können sofort Flüchtlinge aus dem Lager Lebach untergebracht werden. Vor allem ältere Flüchtlinge oder Flüchtlinge mit Grunderkrankungen wie Diabetes, Herzkreislaufstörungen usw. müssen sofort das Ankerzentrum verlassen“, so Maria Dussing-Schuberth weiter. „In den Kommunen gibt es nach wie vor funktionierende ehrenamtliche Strukturen der Unterstützung, die bei der Integration große Hilfe leisten. Außerdem zeigt die aktuelle Krise, dass es hierzulande eine lebendige Solidargemeinschaft gibt. Ein Beispiel sind die neu entstehenden Nachbarschaftshilfen.“

Kurzbericht vom 18.03.2020 von Maria Dussing-Schuberth

Hallo zusammen,
seit vorgestern haben mich einige Hilferufe aus dem Lager Lebach erreicht – die Leute sind sehr verängstigt und wissen z.T. nicht, was sie tun sollen.
Die Ausländerbehörde ist bereits seit Montag geschlossen – von 2 Ausweisen weiß ich, deren Verlängerung bis zum 17. bzw. 18. geht, die Frauen wissen aber nicht, ob sie eine Verlängerung bekommen können.

Bis auf einen Aushang mit Anleitungen zur Hygiene war bis gestern im Lager nichts Offizielles zu Corona bekannt. Die Menschen dort haben beobachtet, wie eine Isolierstation eingerichtet wurde – manche Bewohner mussten innerhalb kürzester Zeit umziehen – es ging das Gerücht, Coronainfizierte aus Italien bzw. Spanien würden dort einquartiert. Seit gestern Abend ist bekannt – aber nur auch gerüchteweise – dass dieser Bau – Haus Nr. 9 in der Ostpreußenstraße – als Isolierstation für mögliche coronapositive Lagerbewohner vorgehalten werden soll. Man traut sich nicht, Fotos davon zu machen, weil ständig Security vor Ort ist. Was das für zusätzliche Ängste sind – besonders auch für Kinder – könnt ihr euch vorstellen.

Seit heute Nachmittag gibt es eine Ankündigung für alle, dass ab sofort vom Hausrecht Gebrauch gemacht wird, es sind „bis auf Weiteres alle Besuche in den Wohnräumen“ untersagt.

Eine Bewohnerin wollte heute eine Art Demonstration organisieren bzw. mit mehreren Bewohnern auf Missstände aufmerksam machen (Essensausgabe und z.B. Ansteckungsgefahren bzw. –ängste in Wasch-und Duschräumen), eine Mitarbeiterin eines Wohlfahrtsverbandes hat ihr abgeraten, sie würde sich jetzt um Desinfektionsmasken und Handdesinfektionsmittel kümmern. Sie hat geraten, nicht zu demonstrieren, weil ja Zusammenkünfte von mehreren Personen auch im ganzen Land verboten seien.

Auf meine Frage, ob die Bewohnerin ihre Vorwürfe und Ängste auch vor laufender Kamera ansprechen würde, meinte sie, dass könne ihr Nachteile bringen, sie wäre aber bereit, so etwas auf ein Tonband zu sprechen, ohne Angabe ihrer Personalien.
Gruß an alle!

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